Wundheilung des menschlichen Körpers
17. August 2019
Der menschliche Körper hat die faszinierende Möglichkeit, sich selber zu heilen! Bis zu einem gewissen Grad und Ausmass zumindest. Doch wenn man schaut, in was für einem Zustand ein Haus oder eine Maschine nach 50, 60 oder 80 Jahren ist, ist diese Fähigkeit schon wahrlich faszinierend!
Und die meisten Leute beanspruchen und strapazieren ihren Körper doch ziemlich fest, wenn auch oft nicht wirklich richtig… denn nicht Bewegung schadet dem Körper, sondern falsche oder keine!
“It’s not movement that destroys a Machine, it’s friction”
Wir Osteopathen und Physiotherapeuten müssen den Ablauf einer Wundheilung und deren Prozesse genau kennen, um unsere Therapie entsprechend optimal und effektiv gestalten zu können. Heisst, entsprechend den Phasen der Wundheilung in welcher sich ein Patient befindet, müssen wir als Manualtherapeuten die richtig dosierten Techniken und Anwendungen wählen und die Therapie entsprechend planen.
Das Ziel einer Wundheilung ist eine vollständige funktionelle Wiederherstellung der verletzten Strukturen. Und je optimaler physiologische Reize auf das verletzte Gewebe einwirken, desto optimaler verläuft eine Heilung – mit weniger Narbengewebe.
Eine Wundheilung im menschlichen Körper (sei dies nun bei einer verletzten Bandscheibe, einem angerissenen oder operierten Kreuzband, einer gezerrten Gelenkkapsel oder Bändern oder auch einem gebrochenen Knochen) geschieht immer über verschiedene Phasen. In der Physiotherapie und Osteopathie werden diese Wundheilungsphasen folgendermassen eingeteilt und unterschieden:
Entzündungsphase
Proliferationsphase
Konsolidierungsphase
Organisationsphase
Weitere, detailliertere Unterteilungen sind möglich und werden teilweise auch gemacht.

Heilungsverlauf einer Fersenoperation nach 2 Tagen, 15 Tagen, 20 Tagen, 6 Monaten, Kaspar1892, Chirurgische Naht, Heilungsverlauf, CC BY 3.0
Diese Phasen können sich überschneiden und sind je nach Gewebe verschieden. Entscheidend für die Dauer der einzelnen Phasen ist die jeweilige Durchblutung des verletzten Gewebes, wie auch die Grösse des Schadens. Dies beeinflusst auch die Turnover Zeit des Gewebes: alle Gewebe im menschlichen Körper werden früher oder später erneuert und somit ausgewechselt. Hat das Gewebe eine gute Durchblutung, ist die Turnover Zeit und auch die Heilungszeit relativ schnell. Ein Beispiel hierbei ist die Haut: nach einem Schnitt ist innerhalb von wenigen Wochen nichts mehr zu sehen (die Turnover Zeit beträgt in etwa 3 Wochen, heisst, alle drei Wochen wird unsere Haut erneuert).
Eine Bandscheibe hingegen, welche für Rückenschmerzen oder Rückenbeschwerden verantwortlich sein kann, ist nicht so gut durchblutet und hat eine Turnover-Zeit von ca. 400 – 500 Tage (braucht also über ein Jahr, bis sich das Gewebe einer Bandscheibe erneuert hat).
Je nach Aktualität (beschreibt in der Medizin den Zustand des Gewebes in welchem es sich befindet und so kann sich auch ein chronisches Leiden in einem Stadion hoher Aktualität befinden, Bsp. aktivierte Arthrose. Nicht zu vergleichen mit akut), welche ein Therapeut identifizieren muss, kommen unterschiedliche Therapiemöglichkeiten und Techniken mit unterschiedlichen Zielen zur Anwendung.

Schürfwunde der Hand – 32 Minuten nach Verletzung, Jpbarrass, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Entzündungsphase der Wundheilung
Die Entzündungsphase dauert, je nach Gewebe, zwischen 3 und 7 Tagen nach Verletzung. Sie ist gekennzeichnet durch die von der Entzündung mitverursachten Schmerzen und Schwellungen.
Durch die Entzündung werden optimale Bedingungen geschaffen, um körpereigene Zellen (Bsp. Makrophagen, Leukozyten, Lymphozyten), Substanzen und Enzyme zu aktivieren (ähnlich einem Fieber).
Durch das sauerstoffreiche Blut und die Proteine darin, welches in dem verletzten Gewebe austritt, werden die Körper- und Bindegewebszellen gesteuert und eine sich gegenseitig beeinflussende Ablaufkette aktiviert. Durch die freiwerdenden Proteine wird auch vermehrt Flüssigkeit eingelagert, welche die Schwellung hervorruft. Dadurch wird das Gewebe lockerer und Körperzellen können besser in das verletzte Gebiet einwandern.
Das Gewebe beginnt mit der Reparatur des Gefässsystems und es wird durch den Körper eine erste Notversorgung und Reparatur durch Hilfsgewebe (Kollagen Typ III) gemacht, um die Wunde so schnell wie möglich zu schliessen. Obwohl bereits mit der Kollagensynthese begonnen wird, dominiert in dieser Phase die Neubildung von Fibro- bzw. Myofibroblasten.
Schmerzlindernde und abschwellende Massnahmen stehen in dieser Phase im Vordergrund. Ein angepasstes Schonen und Entlasten des verletzten Gewebes ist indiziert. Allenfalls können Kompressionsverbände zum Einsatz kommen. Das sympathisch-vegetative Nervensystem sollte gedämpft werden. Schmerzfreie Bewegungen im Matrixbereich des Gewebes (passive oder auch aktive Mobilisation) ist trotz allem in den meisten Fällen indiziert und wichtig, um das Bindegewebe zu stimulieren. Es sollte jedoch sehr zurückhaltend mit mechanischen Belastungen vorgegangen werden, da durch die noch fehlende Grundsubstanz-Produktion das Gewebe sehr instabil ist.
Elektrotherapie oder Ultraschall können in dieser Phase eine gute Ergänzung der Therapie darstellen
Die Entzündungsphase sollte durch den Körper so schnell wie möglich abgeschlossen werden können. Die Therapie sollte ihn dabei unterstützen.

Schürfwunde der Hand – 2 Tage 22 Stunden 12 Minuten nach Verletzung, Jpbarrass, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Proliferationsphase der Wundheilung
Diese Phase dauert in der Regel zwischen 3 und 10 Wochen nach Verletzung. In der Proliferationsphase nehmen die Schmerzen deutlich ab und die Bewegungsmöglichkeit zu. Es findet eine Regeneration des Bindegewebes (erster Umbau des zuvor gemachten Hilfsgewebes) statt. Die Synthese von Kollagen ist in dieser Phase sehr ausgeprägt. Sie sind aber zunächst noch sehr dünn und liegen nahe aneinander. Nach wie vor ist jedoch die Produktion der Grundsubstanz in dieser Phase eher gering, wodurch das Gewebe immer noch wenig elastisch und nur beschränkt stabil ist.
Es sollte physiologisch, funktionell und schmerzfrei belastet werden, damit sich die Fasern des Bindegewebes, welche in grosser Zahl synthetisiert werden, optimal ausrichten können und kein Narbengewebe mit falschen Crosslinks entsteht. Dies ist in dieser Phase sehr wichtig! Die neuromuskuläre Anbahnungen zur natürlichen Bewegung und Belastung sind mit ein Ziel der Therapie. Durchblutungsfördernde Massnahmen zur Stoffwechseloptimierung wie auch das Fördern der Syntheseaktivität der Bindegewebszellen stehen im Vordergrund. Der Trainingsumfang kann erhöht werden (nicht jedoch oder nur angepasst die Trainingsintensität! Wir wollen keine neuen falschen Verletzungen im Gewebe produzieren und das Gewebe ist noch nicht ganz stabil wie oben erläutert). Man beginnt mit funktionellen, koordinativen Übungen in geschlossener Kette zur Verbesserung der Propriozeption (Übungen in dreidimensionalen Mustern)

Schürfwunde der Hand – 17 Tage 11 Stunden 30 Minuten nach Verletzung, Jpbarrass, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Konsolidierungsphase der Wundheilung
Die Konsolidierungsphase dauert bis zu 12 Wochen nach einer Verletzung. Das kollagene Netzwerk wird ein weiteres Mal umgebaut, die Fasern werden dicker und stabiler (Kollagen Typ I). Durch vermehrte Grundsubstanz-Produktion der Fibroblastenin dieser Phase wird die Belastbarkeit des Gewebes deutlich erhöht, der Abstand zwischen den Fasern dadurch grösser. Dies sind Voraussetzungen, damit ein stabiles Netzwerk aus Kollagenfasern gebildet werden kann. Dadurch wird auch die Elastizität des Gewebes verbessert.
In dieser Phase stehen vermehrt aktive Therapien im Vordergrund, wie auch das Ziel und die Ansprüche des Patienten: was braucht und was will er (Unterschied zwischen Spitzensportler oder Bürogummi). Die Belastung kann deutlich gesteigert werden (Behandlung im kollagenen Belastungsbereich).
Wiederholte endgradige Mobilisationen zur vollständigen Beweglichkeitserreichung sollten durchgeführt werden, um Bewegungsdefizite zu eliminieren. Angepasste und langsam schwerere funktionelle dreidimensionale Übungen fördern eine weitere Verbesserung der Propriozeption und der dynamischen Stabilität. Es kann mit Schnelligkeitstraining begonnen werden, wie Sprung- und Laufkoordinationstraining. Man beginnt mit Maximalkrafttraining in geschlossener Kette, wie auch Krafttraining mit freien Gewichten.

Schürfwunde der Hand – 30 Tage 4 Stunden 43 Minuten nach Verletzung, Jpbarrass, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Organisationsphase der Wundheilung
Die Organisationsphase schliesst sich an die Konsolidierungsphase an und ist auch im Zusammenhang mit der Turnover-Zeit eines Gewebes zu sehen. Das ursprünglich angelegte Kollagen Typ III wurde grösstenteils zu stärkeren Fasern des Typ I Kollagen umgebaut. Der ursprüngliche Verletzungsbereich hat sich von einem überwiegend zellulären Gewebe in ein normales kollagenes Bindegewebe entwickelt.
In dieser Phase stehen ADL Aktivitäten (activity of daily living) und das Bedürfnis und Anspruch des Patienten im Vordergrund: Die Funktion formt die Struktur! Übungen, Training und Therapie sind auszurichten auf den Alltag, Beruf oder Sport des Patienten.
Übungen zielen auf die reaktiven Fähigkeiten, Schnelligkeit und Optimierung des Dehnungs-Verkürzungszyklus ab. Exzentrische Belastungen, supramaximal und wenn möglich maximal Krafttraining in geschlossener und offener Kette, wie sportspezifische Übungen kommen zum Einsatz. Es kommen allenfalls Probewettkämpfe oder Zweikampfverhalten zum Training hinzu.
Die Belastbarkeit eines Gewebes ist davon abhängig, welche Zellen in den einzelnen Phasen aktiv sind und welche Gewebeanteile sie synthetisieren.
Vielleicht versteht man nun auch, warum man einen Gips meistens 6 Wochen hat oder man nach einer Beinoperation oft 4-6 Wochen Krücken benutzen muss.
Alle Phasen der Wundheilung beginnen eigentlich zeitgleich sofort, wie mit enzymhistochemischen Verfahren nachgewiesen werden konnte und müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Die Phasen überschneiden sich und wir als Therapeuten müssen erkennen können, wann eine Phase durch den Körper grösstenteils abgeschlossen wurde, um im Therapieverlauf einen Schritt weiter zu gehen und im Gewebe die optimalen physiologischen Reize setzen zu können.
Es gibt keine schnellere Heilung als eine Optimale! Wir bei BodyLab haben das Wissen, sie als Patient bei Verletzungen des Bewegungsapparates und des muskulo-skeletalen Systems dabei optimal zu unterstützen und zu begleiten. Um Ihre Schmerzen zu lindern und um Verzögerungen und Komplikationen (wie Infekte, spätere Defizite) frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern. Für ein optimales, schnellstmögliches und bestes Ergebnis.
Wenn Sie uns brauchen, wir sind gerne für Sie da!
Ihr BodyLab Team – Ihre Spezialisten nach körperlichen Verletzungen
Osteopathie und Physiotherapie | Rehabilitation und Training
Zürich Altstetten
Titelbildnachweis

Carsten Niehaus (Lumbar), Wound sewed, CC BY-SA 1.0