Rektusdiastase nach der Schwangerschaft
27. März 2022
Nach der Schwangerschaft bildet sich häufig ein sicht- und tastbarer Spalt zwischen den oberflächlichen geraden Bauchmuskeln – die Rektusdiastase. Diese wird von den Betroffenen nicht nur optisch als störend empfunden, sondern kann sich auf den ganzen Körper auswirken. Wie beeinflusst die Rektusdiastase den Körper? Und gibt es Therapieformen oder Übungsprogramme, die deren Heilungsverlauf beeinflussen?
Definition
Die Rektusdiastase beschreibt das Auseinanderweichen der beiden geraden Bauchmuskeln (M. rectus abdominis) entlang der vertikalen Mittellinie des Bauches (Linea alba) [1].

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Sie wird diagnostiziert, wenn sich ein tastbarer Spalt von mehr als zwei cm gebildet hat. Normalerweise ist die Distanz (Interrektusdistanz) zwischen den beiden geraden Bauchmuskeln nur ca. 20mm breit [2]. Die Rektusdiastase kann bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen auftreten, kommt jedoch am häufigsten bei schwangeren Frauen vor [3].

Ken Hammond (USDA), PregnantWoman, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Denn während der Schwangerschaft ist die Bauchmuskulatur durch hormonelle Einflüsse beweglicher. Der zweibäuchige M. rectus abdominis wird dünner und wandert zur Seite, um dem wachsenden Uterus Platz zu bieten. Durch diese topografische Positionsveränderung verlieren beide geraden Bauchmuskeln rechts und links der Linea alba ihre eigentliche Zugrichtung. Sie geraten aus ihrer, vom geraden Faserverlauf vorbestimmten, Ausrichtung und sind dadurch in ihren Funktionen eingeschränkt. Da die Verbindung der Rektusscheide am Ende der Schwangerschaft durch Bindegewebsveränderungen sehr dünn ist, können die Rektusmuskeln ungehindert nach aussen weichen. Im Frühwochenbett, bis zum zehnten Tag nach der Geburt, ist ein Abstand von 1-2 Längsfingerbreiten zwischen den Muskelbäuchen als physiologisch zu betrachten. Ist der Abstand breiter, wird von einer Rektusdiastase gesprochen; dabei verliert die Betroffene an Halt. Die Rektusdiastase wird dann bei allen Druckerhöhungen im Bauchraum (z.B. bei einer Rumpfbeuge) als eine spitzbauchartige Vorwölbung der Eingeweide zwischen den separierten Rektusmuskeln sichtbar. Bleibt eine solche Rektusdiastase unbehandelt, kann sie bei manchen Frauen über Monate oder sogar Jahre bestehen bleiben [4].

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Auswirkungen und Zusammenhänge
Die Rektusdiastase entwickelt sich bereits im Verlauf der Schwangerschaft und präsentiert sich in den meisten Fällen ab dem dritten Schwangerschaftstrimester. Oft bleibt sie aber noch nach der Entbindung bestehen [4]. In der Studie von Blaschak & Boissonnault [5] hatten 66% der 71 getesteten Frauen eine Rektusdiastase im dritten Trimester. Direkt nach der Geburt waren es noch 53% und zwischen der fünften und siebten Woche postpartal wiesen noch 36% der Probandinnen eine Diastase auf. Dies zeigt, dass das Auftreten einer Rektusdiastase in der postpartalen Phase zwar abnimmt, aber trotzdem nicht bei allen Frauen nach der Geburt spontan wieder verschwindet [5]. Eine bestehende Rektusdiastase wird oft mit Beschwerden wie Kreuz- und Rückenschmerzen oder Inkontinenz assoziiert [6]. Es wird davon ausgegangen, dass die Stabilisierung der unteren Wirbelsäule nicht mehr vollständig gewährleistet werden kann. Dadurch verändert sich die ganze Körperstatik von den Füssen bis zur Kopfhaltung, der Brustkorb (Thorax) und auch die Atembewegungen können beeinflusst werden. Diese Fehlatmung sowie die Fehlstatik wirken sich dann auf den Beckenboden und die Bauch- und Beckenorgane aus [4]. Jedoch ist mit dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Literatur nicht genügend geklärt, inwiefern die Rektusdiastase die genannten Beschwerden beeinflusst [6]. Benjamin et al. [6] untersuchten in ihrem systematischen Review, ob die Rektusdiastase einen Einfluss auf muskuloskelettale Dysfunktionen, Schmerzen und die Lebensqualität der Betroffenen hat. Sie konnten einen Zusammenhang zwischen der Rektusdiastase und dem Auftreten eines Beckenorganprolapses feststellen. Ebenfalls fanden sie heraus, dass die Rektusdiastase die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Stärke der Bauchmuskulatur und die Intensität von Schmerzen im unteren Rücken beeinflussen kann. Jedoch fanden sie keinen signifikanten Zusammenhang der Rektusdiastase und dem Auftreten von Inkontinenz oder Schmerzen im Beckenbereich [6]. Inwiefern die Rektusdiastase mit anderen Beschwerden in Zusammenhang steht, muss also noch genauer untersucht werden, um eine abschliessende Aussage treffen zu können.
Rehabilitation und Training
Bei einer bestehenden Rektusdiastase werden als konservative Behandlungsmethode die Physiotherapie und Osteopathie genannt. Jedoch gibt es bis jetzt kein generell akzeptiertes Übungsprotokoll oder offizielle Behandlungsrichtlinien [7]. Es gibt unzählige verschiedene Behandlungsansätze und Therapieformen, doch nur sehr wenig Forschung in diesem Bereich. Bis heute ist man unschlüssig, ob die Rektusdiastase beim Training manuell angenähert werden soll oder nicht. Auch die Auswirkungen der tiefen Bauchmuskulatur (M. transversus abdominis) auf die Rektusdiastase ist noch nicht vollständig geklärt. Man geht jedoch davon aus, dass die tiefe Bauchmuskulatur bei Aktivierung die Rektusdiastase weiter auseinanderzieht und somit eher kontraproduktiv wirkt. Eine Studie von Thabet et al. [8] zeigte, dass ein Übungsprogramm mit passiver Annäherung der Linea alba, Beckenbodenanspannung, Atemübungen und Planks zu einer grösseren Reduktion der Interrektusdistanz führt, als nur ein klassisches Bauchmuskletraining. In einer anderen Studie Gluppe et al. [9] hingegen wurde eine Gruppe von Frauen, die ein wöchentliches Übungsprogramm für die Bauch- und Beckenbodenmuskulatur durchführten mit einer Gruppe verglichen, die keine Übungen erhielten. Dabei konnten zwischen den beiden Gruppen auch nach mehreren Monaten keine Unterschiede festgestellt werden. Die Studienlage ist also sehr widersprüchlich. Obwohl es teils vielversprechende Resultat gibt, ist noch nicht bewiesen, dass gezielte Übungsprogramme die Rektusdiastase reduzieren können. Jedoch muss hier erwähnt werden, dass bis anhin als Verlaufsparameter meist nur die Interrektusdistanz untersucht wurde. Neuste Erkenntnisse zeigen, dass nicht nur die Distanz zwischen den Muskelbäuchen, sondern auch die Spannung der Linea alba sehr entscheidend ist. Denn diese Spannung sorgt dafür, dass der Bauchinhalt gut gehalten werden kann und die Bauchmuskulatur optimal funktionieren kann [10]. Es könnte also sein, dass durch physiotherapeutische Übungen zwar keine Veränderung der Distanz erzielt wird, aber Einfluss auf die Spannung und somit auf die entscheidenden Funktionen genommen wird. Nebst den konservativen Behandlungsmöglichkeiten kann eine Rektusdiastase auch chirurgisch behandelt werden. Dies ist jedoch erst medizinisch indiziert, wenn sich zusätzlich zur Rektusdiastase eine abdominale Hernie gebildet hat [11] oder wenn mit konservativer Therapie keinerlei Erfolge erzielt wurden [7].
Fazit
Bis anhin gibt es leider nur wenig wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich und es fehlen sinnvolle und standardisierte Testverfahren um den Verlauf der Rektusdiastase zu objektivieren. Es gibt sehr viele Therapieansätze die jedoch noch nicht ausreichend evidenzbasiert sind. Geht man jedoch von den Grundprinzipien der Trainingslehre aus, sollten das Training der Bauchmuskulatur in unterschiedlichen Ausgangspositionen und mit steigendem Schwierigkeitsgrad erfolgen, dabei sollte speziell auf die jeweiligen Anforderungen und Positionen eingegangen werden, die noch Mühe bereiten. So kann eine individuelle und funktionsorientierte Therapie mit spezifischen Übungen die gesundheitsbezogene Lebensqualität steigern und die Einschränkungen im Alltag der Betroffenen reduzieren.
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Literaturverzeichnis
D. R. Benjamin, A. T. M. van de Water, and C. L. Peiris
Physiother. (United Kingdom), vol. 100, no. 1, pp. 1–8, 2014, doi: 10.1016/j.physio.2013.08.005.
[2] The normal width of the linea alba in nulliparous women
G. Beer, A. Schuster, and B. Seifert
Clin Anat., vol. 22, no. 6, pp. 706–711, 2009, doi: 10.1002.
[3] Management Strategies for Diastasis Recti
M. Y. Nahabedian
Semin. Plast. Surg., vol. 32, no. 3, pp. 147–153, 2018, doi: 10.1055/s-0038-1661380.
[4] Nach der Geburt Wochenbett und Rückbildung
A. Heller
1st ed. D-70469 Stuttgard: Georg Thieme Verlag, 2002.
[5] Incidence of diastasis recti abdominis during the childbearing year
M. J. Blaschak and J. S. Boissonnault
Phys. Ther. 1988 Jul;68(7):1082-6. doi: 10.1093/ptj/68.7.1082.
D. R. Benjamin, H. C. Frawley, N. Shields, A. T. M. van de Water, and N. F. Taylor
Physiotheerapy. 2019 Mar;105(1):24-34. doi: 10.1016/j.physio.2018.07.002. Epub 2018 Jul 24.
[7] Diastasis recti abdominis – A review of treatment methods
A. Michalska, W. Rokita, D. Wolder, J. Pogorzelska, and K. Kaczmarczyk
Ginekol. Pol., vol. 89, no. 2, pp. 97–101, 2018, doi: 10.5603/GP.a2018.0016.
A. A. Thabet and M. A. Alshehri
J. Musculoskelet. Neuronal Interact., vol. 19, no. 1, pp. 62–68, 2019.
S. L. Gluppe, G. Hilde, M. Tennfjord, and E. Engh
Annu. Rev. CyberTherapy Telemed., vol. 11, no. 4, p. 63, 2013, doi: 10.1097/01.numa.0000435373.80608.40.
D. Lee and P. W. Hodges
J. Orthop. Sports Phys. Ther., vol. 46, no. 7, pp. 580–589, 2016, doi: 10.2519/jospt.2016.6536.
W. Reinpold et al.
Front. Surg., vol. 6, no. January, pp. 1–6, 2019, doi: 10.3389/fsurg.2019.00001.
Titelbildnachweis

Ken Hammond (USDA), PregnantWoman, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons