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Klinische Tests - Sensitivität, Spezifität, Validität & Co.

28. August 2019

Klinische Tests
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Klinische Tests

Bei Problemen und Beschwerden des menschlichen Körpers, des Bewegungsapparates und des muskulo-skeletalen Systems sind wir bei BodyLab, Osteopathie und Physiotherapie, Rehabilitation und Training Zürich Profis.

Ob mit oder ohne ärztliche Überweisung kommen Patienten zu uns und hoffen auf unsere Hilfe oder Unterstützung.

Dabei gilt es für uns, erst einmal herauszufinden, wo und in welcher Struktur das Problem liegt. Denn auch ärztliche Diagnosen beschreiben oft nur ungefähr (oder gar nicht) wo das Problem liegt. So sagt zum Beispiel ein Lendenwirbelsäulensyndrom oder Lumbago nur soviel, dass man im unteren Rücken Probleme, Beschwerden oder Schmerzen hat. Auch eine Epicondylitis (Tennisellbogen) als Beispiel sagt nichts über deren Ursache. So kann das Problem muskulär bedingt (dann kommt die Frage in welchem Muskel und wo genau) oder in der Sehne oder im Knochen-Sehnen Übergang liegen. Man könnte hier noch unzählige Beispiel anbringen…

Ein Untersuch beginnt immer mit einer ausführlichen Anamnese: dabei werden die subjektiven Probleme und Beschwerden des Patienten erfasst. Wo ist das Problem und der Schmerz und wann tritt er auf / was löst ihn aus und was hilft bzw. tut gut, ist dieser uni- oder bilateral, sind Ausstrahlungen vorhanden, Parästhesien, Zeitraum und Verlauf seit Beginn der Problematik, gab es ein auslösendes Ereignis (Trauma, Überbelastung), was sind die normalen Aktivitäten (ADL, Beruf, Hobbys) und was geht noch und was nicht mehr. Weiter von Interesse sind bisherige Krankheiten, Verletzungen, Operationen, Ernährungsgewohnheiten, etc.

Dazu kommt die Sozial- und Familienanamnese (Familienhintergrund, Belastung-Belastbarkeit des Systems), ob Medikamente nötig sind oder eingenommen werden, wie auch die Erkennung von Yellow- und Red-Flags sind einige Wichtige Punkte, die es in Erfahrung zu bringen gilt wie wir später noch sehen werden.

Bereits während diesem Prozess erstellt der Osteopath oder Physiotherapeut aufgrund seines Wissens und seiner klinischen Erfahrung verschiedene Hypothesen.

Mittels clinical reasoning, Funktions- und Bewegungsuntersuch und verschiedenen diagnostischen Tests werden die in der Anamnese gewonnen Hypothesen und Beschwerden objektiviert.

Da ein schönes Sprichwort sagt „Wer misst misst Mist“ ist es aber von ganz entscheidender Bedeutung, die richtigen adäquaten Tests zu verwenden, da diese sonst rein gar nichts nützen. Dies möchten wir hier etwas erklären.

Um das zu verstehen, hier ein sinnbildlicher Vergleich: Würde man in einem See (zum Beispiel Zürichsee) mit einem grossmaschigen Fischernetz auf Fischfang, würde man nur sehr grosse Fische oder evt. auch gar keine aus dem Wasser ziehen. Und denken, dass es in diesem See nur grosse Fische gibt. Was natürlich nicht stimmt. Aber dieses Netz wäre nicht sensitiv genug und auch nicht Valide für diesen See, um kleine Fische zu fangen.

Deshalb muss man sich nach der Anamnese mittels einem guten clinical reasoning überlegen:

  • Was will ich messen?

    Messe / Teste ich richtig

    Habe ich das ideale Messinstrument?

  • Sensitivität / Spezifität / Validität

-> NB: Unbedingt mit Hypothese aus Anamnese arbeiten!!

Messinstrumente, und orthopädische bzw. manuelle klinische Tests sind als solche zu betrachten, können nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden:

  1. Sensitivität

  2. Spezifität

  3. Validität

  4. Reliabilität

Deshalb und um den richtigen klinischen Test auszuwählen, ist eine gute und gesamthafte Anamnese mit einer folgenden Arbeitshypothese (therapeutische Diagnose) so immens wichtig!

Sensitivität

Die Sensitivität (auch Empfindlichkeit, Trefferquote oder Richtig-positiv Rate) eines diagnostischen Tests gibt Informationen darüber, wie wahrscheinlich ein positives Testresultat bei einer Person ist, welche das Problem hat. Noch genauer gesagt, bei welchem Anteil von erkrankten Patienten die jeweilige Krankheit durch die Anwendung des Tests tatsächlich erkannt wird, also ein positives Testresultat auftritt.

Je höher die Sensitivität eines Tests ist, desto sicherer erfasst er die Erkrankung.

Spezifität

Die Spezifität eines Tests sagt aus, wie wahrscheinlich ein negatives Testresultat bei gesunden Personen (ohne Krankheit oder Verletzung) angezeigt wird.

Es gibt also die Wahrscheinlichkeit eines Tests an, dass tatsächlich Gesunde, welche nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch den Test auch als gesund erkannt werden.

Validität

Die Validität gibt Aufschluss darüber, ob ein Test auch genau das misst, was man messen möchte. Valide ist also, wenn tatsächlich das gemessen wird, was man zu messen beabsichtigt

Reliabilität

Die Reliabilität stellt die Genauigkeit und Verlässlichkeit eines Tests dar. Das bedeutet, ob ein Test bei einer Wiederholung unter gleichen Bedingungen das gleiche Ergebnis erzielen würde Reproduzierbarkeit).

Zuverlässig ist ein Test, wenn bei wiederholter Anwendung grösstmögliche Ähnlichkeit erzielt wird und somit das Ergebnis nicht vom Zufall abhängig ist.

Objektivität

Unter Objektivität eines Tests versteht man die Unabhängigkeit der Ergebnisse von äusseren Bedingungen und verfälschenden Drittfaktoren

Responsiveness

Dies ist die Ansprechempfindlichkeit. Sie bestimmt die Fähigkeit einer Messung, wichtige klinische Veränderungen über die Zeit auf zu zeigen (zu messen). Allenfalls wichtig für eine Verlaufskontrolle der Therapie!

 NB: Eine höhere Sensitivität (Richtung 100%) erreicht man nur durch eine Reduktion von Grenzwerten; dies geht aber auf Kosten der Spezifität!!

Wie man unschwer erkennen kann machen einzelne, zusammenhanglose klinische Tests wenig Sinn und bringen keine Ergebnisse bzw. sagen wenig über ein Problem aus. Ein grosses Problem für unerfahrene Therapeuten! Und zu viele Tests provozieren und reizen verletzte Strukturen ebenso, so dass eventuell ebenfalls kein klares Ergebnis ermittelt werden kann.

So sollte anhand der aufgestellten Hypothese(n) aus der Anamnese und dem clinical reasoning, die richtigen diagnostischen Tests ausgewählt werden – und diese sollten auch richtig durchgeführt werden. Bedeutet auch, dass ein Therapeut wissen muss, was ein klinischer Test kann und was nicht, und wozu er da ist! Ist er positiv, wenn schmerzen auftreten oder ausgelöst werden? Oder ist ein nicht erlaubtes Bewegungsausmass / -spiel ein positives Zeichen? Oder ein abgeschwächter bzw. nicht auszulösender Reflex ein positives Zeichen?

Auch sollten die klinischen Tests in der Richtigen Reihenfolge durchgeführt werden, um optimal interpretiert werden zu können.

Klinische Tests: Optimale Reihenfolge und Ablauf

  1. Screening Test (hohe Sensitivität)

    -> to rule out pathology when they are negative

  2. Validierender Test (hohe Spezifität)

    -> Negatives Ergebnis soll bedeuten, dass Ursache tatsächlich nicht vorhanden

  3. Exkludierender Test (hohe Spezifizität)

  4. Provozierender bzw. Reduzierender Test

  5. Mechanischer Test

Zu Beginn sollte ein Test gemacht werden, welcher eine Hohe Sensitivität und Spezifizität für die jeweilige Struktur aufweist, um herauszufinden, ob dort ein Problem liegt. Und dann sollte ein Test folgen, welche eine hohe Validität hat, um auch genau diese Struktur zu testen! Exkludierende oder provozierende Tests ergänzen den Untersuch. Mittels mechanischen kann das Ergebnis überprüft werden.

Wissenschaftliche untersuchungen von medizinischen klinischen Tests

Aus unserer Sicht sollte man sich als Therapeut immer wieder mit seinem Denken und Handeln auseinandersetzen und kritisch hinterfragen.

In der Literatur gibt es immer wieder Untersuchungen und Publikationen, welche klinische Tests auf ihre Genauigkeit und Validität überprüfen. Ein Standardwerk über manuelle Untersuchungstests ist das Buch Orthopedic Physical ExaminationTests: An evidence-based Approach von Chad E. Cook und Eric J. Hegedus.

Man sollte seine Ergebnisse durch Objektivierung überprüfen und kontrollieren – und dokumentieren. Mit etwas Übung und Erfahrung braucht dies auch gar nicht so viel Zeit!

Hier aus unserer Sicht eine (unvollständige) Auswahl an praktischen Tests für verschiedenste Probleme – auch für den therapeutischen Arbeitsalltag:

Winkelmesser: Für die Range of Motion (Bewegungsausmass)

Muskelfunktionsprüfung: manuell Muskelkraft messen

Visual Analog Scale (VAS): für z. Bsp. Schmerzen

Coping Strategies Questionnaire: Schmerzbewältigung erfassen

Short-Form McGill Pain Questionnaire:Schmerzen evaluieren

Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand (DASH oder dem Quick DASH): Beschwerden und Fähigkeiten des Armes

Shoulder Pain and Disability Index: Schulterbeschwerden einschätzen

Berg Balance Scale: Ein aufschlussreicher Test fürs Gleichgewicht

POMA Tinetti-Test: Sturzrisiko erkennen

Dynamic Gait Index: Balance beim Gehen beurteilen

Timed Walking Tests: Lokomotion objektiv messen

Timed Up and go Test: Aufstehen, Gehen mit Kurve

Sharp Purser Test: Stabilität der oberen Halswirbelsäule prüfen

Borg Scale: Wie anstrengend ist das für Sie? Subjektive Anstrengung messen

6-Minuten-Gehtest: Leistung gesteigert?

Der 3-Minuten-Stufentest: Der Fitness-Check

Conconi-Test: Bestimmen der aeroben Leistungsfähigkeit

Goal Attainment Scale (GAS): Subjektive Ziele objektiv messen

Chedoke Mc Master Stroke Assessment: Nach Schalganfall

Trunk Impairment Scale: Rumpfstabilität nach Schlaganfall

Weitere praktische klinische Tests finden Sie auf der Internetseite der IGPTR Interessengemeinschaft Physiotherapie Rehabilitation.

Durch objektive Messungen können auch Therapieresultate und Therapieverlauf klar und besser überprüft und dokumentiert werden. Und Veränderungen, welche einem auch als Patienten oder Therapeuten unter Umständen nicht auffallen, können durch adäquate Tests bemerkt werden.

Zur Wiederholung: Es gilt sich gut zu überlegen, für was und welches Problem man welche klinischen Tests oder welches Messinstrument man verwenden möchte. Da diese Tests nicht per se für jede Problematik valide sind!

Test-Ergebnisse sind nicht in Stein gemeisselt und werden laufend überprüft, auch bereits während der Behandlung. So werden die therapeutischen Interventionen immer wieder durch retests und durch Beobachtung des Behandlungsergebnisses überprüft und allenfalls angepasst!

Wie sie sehen, so einfach ist der menschliche Körper und die manuelle Medizin nicht. Aber umso spannender. Und es lohnt sich auf jeden Fall, sich einen engagierten, guten und kompetenten Therapeuten zu nehmen.

Denn wie gesagt, wer misst misst Mist.

 

Wenn Sie uns brauchen, wir sind gerne für Sie da!

Ihr BodyLab Team – Ihre Spezialisten nach körperlichen Verletzungen

Osteopathie und Physiotherapie | Rehabilitation und Training

Zürich Altstetten


Literaturhinweise

Orthopedic Physical Examination Tests: An evidence-based Approach

Chad E. Cook, Eric J. Hegedus

2008 by Pearson Education Inc., Upper Saddle River, New Jersey 07458

IGPTR Interessengemeinschaft Physiotherapie Rehabilitation


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